Offener Brief an den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Herrn Prof. Dr. Wieler
(zugänglich unter www.broedler.com/blog-1/)
Von unserem freien wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. rer. nat. Andreas Nittke
https://www.xing.com/profile/Andreas_Nittke/
Sehr geehrter Professor Wieler,
vor Ostern wurden Sie mit der Aussage zitiert, dass die Daten zeigten, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wirksam seien. Nun kann ich aber in der neuesten Veröffentlichung aus Ihrem Haus (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/17_20_SARS-CoV2_vorab.pdf?__blob=publicationFile) in Abb. 4 für die Maßnahmen vom 16. März (Bund-Länder-Vereinbarung zu Leitlinien gegen die Ausbreitung des Coronavirus) und dem 23. März (Bundesweit umfangreiches Kontaktverbot) bestenfalls keinerlei Wirkung auf das Infektionsgeschehen erkennen. „Bestenfalls“ insofern, als zu dem Zeitpunkt der Maßnahmen in beiden Fällen eher die Reduktion der Reproduktionszahl verringert wird, was ja nicht wirklich Ziel der Maßnahmen sein sollte und meiner Einschätzung nach im Rahmen der Genauigkeit der Daten nicht den Maßnahmen zugeordnet werden kann.
Wirksam scheint nach dieser Abb. 4 ausschließlich die Absage großer Veranstaltungen in verschiedenen Bundesländern (bei über 1.000 Teilnehmern) vom 9. März zu sein. Das wäre übrigens auch in Abb. 3 zu erkennen, wenn die Anzahl neuer Fälle logarithmisch aufgetragen wäre.
Könnten Sie bitte kurz erklären, wie Sie zu Ihrer Aussage kommen, dass die Daten die Wirksamkeit der Maßnahmen (also auch derer vom 16.3. und 23.3.) zeigten? Falls Sie falsch zitiert wurden oder sich die Einschätzung aufgrund neuerer Daten geändert haben sollte: Wie lautet Ihre Aussage bezüglich der Maßnahmen vom 16.3. und 23.3. dann richtig?
Weiter wurden in Ihrem Haus Szenarien für den möglichen Verlauf durchgespielt (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Modellierung_Deutschland.pdf?__blob=publicationFile). Ich kann in keinem dieser Szenarien eine Ähnlichkeit mit der aktuellen Situation (Abnahme der Neuinfektionen nach einem Maximum von ca. 5000-6000 und innerhalb eines Zeitraums weniger Wochen) erkennen.
Gibt es inzwischen einen Satz von Parametern (Dunkelziffer der Infizierten, Ansteckungsrate, Saisonalität etc.), mit dem der aktuelle Verlauf (ohne die wochentagsabhängige Schwankung) qualitativ und quantitativ beschrieben werden kann? Kann man diesen in einer Veröffentlichung finden? Speziell eine Erklärung der zeitlichen Abnahme der Reproduktionszahl ab ca. 12.3. fände ich extrem informativ.
Ich werde verschiedene Redaktionen über diesen offenen Brief informieren und dafür Sorge tragen, dass Ihre Antwort an gleicher Stelle (www.broedler.com/blog-1/) veröffentlicht wird. Sollten Sie eine Liste der von mir informierten Redaktionen benötigen, so melden Sie sich bitte kurz per email.
Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Nittke
P.S.: Der Lesbarkeit halber hier ein Screenshot der oben zitierten Abb.4 aus https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/17_20_SARS-CoV2_vorab.pdf?__blob=publicationFile: